Site icon CINEWOLF media productions

Angelika Niedetzky: Marathon

MARATHON

Der Lauf meines Lebens

Können Sie sich vorstellen, freiwillig 42,195 km zu laufen? Niemals? Powershoppen, sonntägliche Arbeitsmeetings oder einen jahrelangen Beziehungsmarathon schon eher? Na, geht doch. Ausdauernd locker und herzerfrischend präzise stellt Niedetzky die Marathoniken des Alltags auf die Bühne und ist dabei um keinen mimischen Felgeaufschwung verlegen. Die Meisterin der Fremd- und Selbstmotivation lässt einen nie vergessen: Wenn der Schmäh erst einmal rennt, dann rennt er auch einen Marathon.

Einen Marathon hat wohl jeder von uns schon mal absolviert. Nicht unbedingt den am Asphalt in Laufschuhen und Startnummer am Dress, aber im Alltag mit Sicherheit. Zum Beispiel in Beziehungen, ein Thema, das uns immer betrifft. Entweder hat man eine oder hat man keine, beides kann zum Marathon werden, die monatelange amouröse Durststrecke genauso wie die große Liebe, die sich nach und nach wie ein Klotz am Bein anfühlt.

Niedetzky hat ein Faible für die Marathoniken des täglichen Lebens, die in der unerträglichen Diskrepanz zwischen Stress und Alltagstrott einen Ausgleich suchen, um nur ja nicht überzuschnappen. Der eine kippt hinein in Astrologie, um letztendlich festzustellen, dass ein Skorpion mit einem Löwen einfach nicht zusammenpassen kann – man braucht sich die zwei Tierchen ja nur mal bildlich vorstellen… Ein anderer meint, sein Glück im Kaffeesud, heute natürlich in Form von Nespressokapseln zu finden und benennt auch gleich seinen Nachwuchs nach den 16 Grand Crus. Manche flüchten in Therapien oder Yogakurse und andere von einem One-Night-Stand zum nächsten Facebook-Posting. Ist es angesichts all dieser verzweifelten Versuche vielleicht gar nicht so schlecht, was die Mayas für 2012 prophezeien? Dann hätten wir mit Jahresende eine Ruh‘? Tja, die Welt wird uns wohl eher noch ein Zeiterl erhalten bleiben, drum rüste und halte sich fit, wer kann. Das geht auch ganz leicht mit dem Fitnessvideo Geli-Natics, einem 80er-Jahre Revival-Hit-Mix. Und es macht sicher mehr Spaß, als sich im Fitnessstudio unter lauter zu kurz Geratenen abzustrampeln. Wer sich dieser Hürde nicht gewachsen fühlt, sollte sich zumindest einen Hund halten, mit dem er drei Mal täglich Gassi gehen muss. Seit der Mensch den Kampfhund erfunden hat, sind der Fantasie fast keine Grenzen mehr gesetzt, welches Gscher zu welchem Herrl am besten passt, Hundserl ist nicht gleich Hundserl! Genauso wenig ist Krise gleich Krise. Und überhaupt: Wir brauchen doch nicht wegen ein bisserl Krise gleich die Krise kriegen. Raunzen wir halt noch mehr als bisher, das können wir Österreicher, das hat immer noch am besten abgelenkt vom ganz normalen Wahnsinn.

Jetzt fehlen nur noch die, die sich vollkommen ausklinken wollen aus den täglichen Dauerläufen, und die tun dies am besten, indem sie sich hypnotisieren lassen oder betrinken. Ersteres hat nicht so blöde Nachwirkungen wie Österreichs legale Nationaldroge. Ob am Land oder im Großstadtdschungel, getrunken wird überall. Ja, auch Wasser. Ohne Trinken kein Marathon und schon gar nicht der des Lebens.

Exit mobile version