Digital Day: Aufbruch ins neue Filmzeitalter
Digital Day: Aufbruch ins neue Filmzeitalter
Der Verband Österreichischer Kameraleute (aac) rief am 13. April 2007 gemeinsam mit der Wiener Filmakademie den Digital Day aus. ,,Working in High Definition” lautete das Motto dieser höchst informativen Veranstaltung deren Höhepunkt ein Vortrag des belgischen Kameramannes Louis Philippe Capelle sbc war. Celluloid war vor Ort und bat den führenden Experten der HD Technologie zum Gespräch.
VON ASTRID HEUBRANDTNER AAC, WOLFGANG LIEMBERGER UND WOLFRAM ZOETTL AAC
aus CELLULOID 3/2007
Rund 200 Kameraleuten, Produzenten, Regisseuren, Cuttern und Filmstudentlnnen diente der „Digital Day” als Plattform für wichtigen Informationsaustausch und spannende Vortragsreihen, Dem AAC (,,Austrian Association Of Cinematographers”) ist es gelungen, ,,State Of The Art” HD-Technologien, neue Kamerasysteme, zukunftsweisende Aufnahmetechniken und hybride Filmtechnologien im neuen Studio 1 der Wiener Filmakademie zusammen zu tragen, Aktuelle HD Kameras, neue Schnittsysteme und Tonequipment konnten vor Ort von den zahlreichen Besuchern ausprobiert werden. Als österreichische Innovation zeigte Raphael Barth von „Golden Girls” sein Indiecam Projekt. Den guten Ton zum HD Bild präsencierte die renommierte Firma „Ton Eichinger”.
Holger Schwärtzel, der technische Produktmanager von KODAK Hamburg stellte hybride Produkte wie Digital Intermediate, Monitor- Kalibrierungen und digitale Workflow- Lösungen vor.
Begeisterung fand vor allem der spannende Vortrag und das Screening des fantastisch-kafkaesken, preisgekrönten Kinofilms Nuit Noir (2005 / Regie: Olivier Smolders) der mittels HD Technologie von Kameramann Louis Philippe Capelle, sbc, meisterhaft fotografiert wurde.
Neben Einblicken in die brillante, technische Umsetzung des Films präsentierte Capelle, der auch die Post-Produktionsfirma HOVERLORD leitet, die zukunftsweisenden Werkzeuge des modernen Color-Grading sowie die vielfältigen, kreativen Möglichkeiten der HD-Post-Produktion. Ein Gespräch mit dem Kameramann.
Celluloid: Seit wann beschäftigst du dich mit HD, was waren deine ersten Erfahrungen, was hat sich seither verändert?
Louis Philippe Capelle: Eigentlich habe ich mit dem Film Nuit Noir angefangen, der ein wahres Experiment für mich war, der erste Film,
den ich mit der “Viper” gedreht habe. Vor fünf Jahren waren Kameraleute der Idee abgeneigt, einen ganzen Spielfilm auf HD zu drehen. Die Qualität der Bilder, der Kontrastumfang waren noch nicht Spitzenklasse. Auch gab es keine hochqualitativen Optiken. Heute ist das „HDCam-System” viel besser, zuverlässig und vor allem leistbar: Man kann zwischen verschiedenen Prime-Lens Optiksätzen wählen. Bei den Kameras hat sich die ,Viper” kaum verändert, aber zusätzlich gibt es heute zwei digitale Filmkameras mit Sensorgrößen, die dem Super 35 Format entsprechen: die Genesis und die ARRI D-20. Leider sind die Mietpreise fast unerschwinglich und gerade in Belgien macht es keinen Sinn, diese Kameras zu verwenden.
Celluloid: Wie hat sich durch die Arbeit mit HD die Herangehensweise für den Kameramann am Set verändert?
Louis Philippe Capelle: Meine Arbeitsweise, mein Zugang blieben gleich. Man benötigt noch immer
Beleuchter, Dollyfahrer und Kamera-Assistenten. Ich verwende auch nicht
weniger Licht. In „Low-Light” Situationen könnte ich wahrscheinlich im
Vergleich zu Film bessere Resultate erzielen, weil diese HD-Kameras sehr empfindlich im Schwarzbereich sind. Die Arbeit der Kamera-Assistenten ist sehr schwer. Die unvergleichliche Schärfe der Objektive und die geringe Toleranz im Schärfebereich machen es noch schwieriger, die „richtige” Schärfe zu ziehen. Das Zubehör hat sich vervielfacht, daher ist auch ein zweiter Kamera-Assistent hilfreich. Der Assistent sollte auch über die Kamera-Einstellungen und die Verwendung der Menüs Bescheid wissen, um dem DOP bei der Umsetzung des Looks zu unterstützen. Die HD-Kameras sollten genauso verwendet werden, wie beim Arbeiten mit Umkehrfilm, oder für eine Einlichtabtastung, um den höchst-möglichen Kontrastumfang für die Postproduktion zu erhalten.
Celluloid: Welche Bedeutung hat die Postproduktion – auch für den Kameramann – bei einem HD Projekt im Vergleich zum Workflow von Nicht-HD-Projekten?
Louis Philippe Capelle: Die Kameraleute sollten unbedingt in der Postproduktion involviert sein, weil dort erst der endgültige ,,Look” entsteht, wo die Kreativität des Bildes den letzten Schliff erhält. Allgemein benötigt der DOP mehr Zeit für die Postproduktion, als bei reinen Filmprojekten, aber die Möglichkeiten, die sich eröffnen sind wesentlich komplexer. Kameraleute sollten dafür beza hlt werden, denn dieser Produktionsschritt ist ein wesentlicher und
bedeutender für deren Verantwortlichkeit. Umfangreiche Kommunikation zwischen -Kameraleuten, Regie und der Farbbestimmung sind unumgänglich, um gemeinsam harmonisch am künstlerischen Ziel des Filmes zu arbeiten.
Celluloid: Die Entwicklung von HDTechnologien hat die Kameraleute in zwei Lager gespalten. Die absoluten Gegner meinen, Film hat einwandfrei funktioniert, warum sollte man da auf eine noch nicht ausgereift scheinende neue Technik zurückgreifen, und wiederum andere schwören auf HD.
Louis Philippe Capelle: Neue Technologien in eine romantische Welt-wie sie das Film-Business ist – zu bringen, ist sehr schwierig. Keiner kann wirklich sagen, dass eine Technologie besser als die andere ist. Sie sind unterschiedlich und wir müssen lernen mit den neuen Technologien umzugehen. Was außer Zweifel steht ist, dass das Material „Film” seit über 100 Jahren besteht und dass jeder mit den Ergebnissen zufrieden ist. Digitale Post-Produktion ist jedoch eine Revolution mit allen Möglichkeiten, die
sich heute für Regie und Kameraleute bieten. Man sollte glücklich darüber sein.
Celluloid: Wie werden sich die Sehgewohnheiten der Kinobesucher durch HD Produktionen verändern?
Louis Philippe Capelle:
Die Sehgewohnheiten werden sich schneller ändern, als die Gewohnheiten beim Filmen selbst. Viele Menschen haben heute ein ,,Home-Theater” oder einen großen Bildschirm. Die digitale Welt wird etwas „Normales”, etwas Alltägliches. Natürlich ist eine ,,2k-Projektion” von hervorragender Qualität, aber das Publikum braucht ebenso Erfahrung, weil diese nicht so „romantisch” ist, wie die Projektion eines 35mm-Positiv mit all seinen Defekten wie nicht exakter Framerate, Unschärfe, Instabilität, Schmutz. Aber wir gehen immer mehr in Richtung digitaler Projektion, weil es das Leben und das Business der Verleiher immer leichter macht.
Celluloid: Zukunftsprognose: Wohin führt dieEntwicklung?
Louis Philippe Capelle: Ich bin sicher, dass wir bald ein unkomprimiertes Bild aufzeichnen werden können. Wahrscheinlich in der gleichen Größe wie Super 35mm oder sogar größer. Der Kontrast wird immer besser, wahrscheinlich besser als bei Film, vor allem in den Schattenbereichen. Film wird als Aufnahmemedium weiter bestehen, vor allem, wenn man für digitale Post-Produktion dreht. Es wird Jahre dauern, bis alles Filmmaterial der Welt digitalisiert wird und daher wird auch das Film-Positiv länger überleben. A ußerdem ist es das beste Archivierungsformat für Filme und Bilder.